Moreta-Alltag: Die Insights

Veröffentlicht am 4. Juni 2025 um 02:59

Kurzer Disclaimer: Der heutige Blogeintrag wird ein bisschen anders sein als die bisherigen. Könnte gut sein, dass es nichts für euch ist. Für alle, die sich aber eng mit Guayama verbunden fühlen, sind das die heißesten News. Heute habt ihr die Ehre, in die Moreta-Lehrer-Insights von letztem Freitag eingeweiht zu werden. Dafür darf ich euch erst einmal das Kollegium vorstellen.

In Moreta herrscht eine Art WG-Leben zwischen den Lehrern. Im Lehrerzimmer, das gleichzeitig Küche und auch Wohnraum ist, durch eine behilfsmäßige Wand und einen schwingenden, blauen Vorhang getrennt, spielt sich so ziemlich alles ab, was von Montag bis Freitag das Leben der Gang ist. Gemeinsames Frühstück, Mittagessen, Abendessen; nachmittags, wenn keine Schülerseele mehr in Nähe der Schule zu sehen ist, trainieren die Lehrer auf dem Schulhof. Ein-, oder auch zweimal die Woche wird es richtig abwechslungsreich. Da steigt die Lehrer-WG in den großen Bananentransporter des Sportlehrers und fährt die Kurven hinab nach Chugchilán, um einmal mehr im Fußballteam der <<profes geniales>> zu verlieren, dafür einen Dollar auszugeben, denn die Liga ist professioneller als man denkt, und hinterher fettige Chugchilán-Pommes im einzigen Restaurant des Dorfes zu genießen. Das Restaurant ist dabei eher ein Raum mit ein paar Bierbänken und einer Pfanne mit Öl. Meist schläft dann Jade schon totmüde in den Armen ihrer Mutter, der Frau des Schulleiters, oder denen eines anderen Lehrers ein. An sich kümmernde Personen fehlt es schließlich nicht. Neben der Familie des Schulleiters und seinen beiden Kindern gibt es da noch JP, die Otavalo Lehrerin und den Sportlehrer.

JP heißt José und dann noch irgendwas mit P, ist ziemlich klein und sieht noch winziger in seinem viel zu großen Trikot aus, in dem er regelrecht versinkt. Außerdem ist JP an einer der zwei Lehrerinnen interessiert, die nicht in der Schule wohnen. Nun, da ihr Ehemann traurigerweise verstorben ist, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die beiden sich finden oder sich eingestehen, sich gefunden zu haben. Das ist zumindest im Moreta-Raum in aller Munde.

Die Otavalo-Lehrerin nimmt jedes Wochenende den weiten Weg nach Otavalo auf sich, wo ihr Ehemann wohnt und auch ihre beiden Kinder, deren Namen übersetzt Mond und Herz bedeuten. Also hat sie immer ihren kleinen blauen Koffer dabei. Letztens hat ihr Ehemann ihr einen Überraschungsbesuch abgestattet, und die beiden saßen eng umschlungen auf der Schulmauer. Sie war die erste in der Moreta-Gang und wenn sie mir von den alten Zeiten erzählt, wo sie abends alleine in der Schule gehaust hat, - kein Licht, keine Menschenseele weit und breit, nur sie, das Geheule der Hunde und der Schulhof - da werde ich schon vom Zuhören einsam. Wobei das echt selten vorkommt. Ich meine, dass sie mir etwas erzählt. Genauer genommen gibt es da nur das Gespräch über die alten Zeiten, und dann das Gespräch letzten Freitag. Da hat sie mir ihr frisch gestochenes Tattoo gezeigt. Ein Mond, ein Herz, Wellen, die das Chaos in ihr symbolisieren sollen und darunter der Schriftzug <<ábrete!>>. Mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen erklärt sie mir, dass dieses Tattoo eine Entscheidung symbolisiert, die sie getroffen hat.

Dann ist da noch der Sportlehrer. Der Sportlehrer ist eigentlich nicht wirklich Sportlehrer, ich habe ihn nur zu oft so genannt. Er unterrichtet Kunst und Musik und alles Mögliche, was man als Ingenieur noch so unterrichten könnte. Nicht zu vergessen: Er ist im Besitz des bereits erwähnten Bananenwagens, den er noch drei Jahre lang abbezahlen muss und sich für sein Bananenbusiness angeschafft hat. Darum fährt er jeden Freitag eine Stunde vor Schulschluss los an die Costa, hat Schlafmangel, den er ab und zu in den Pausen nachholt und eigentlich keinen arbeitsfreien Tag. Viel Zeit, um seine Ehefrau in Latacunga zu treffen bleibt da nicht. Aber einmal im Monat fährt er nach Hause, mit Bettlaken und seinen paar Kleidungsstücken auf dem Arm. Alle Lehrer besitzen nicht viel. Die paar Dinge des Sportlehrers sind auf seinem Bett zu einem Haufen getürmt, den er kurzerhand auf den Boden gewischt hat, als ich sein Zimmer besichtigt habe (oder das Bett in wahlweise der Küche oder dem Lehrerzimmer). Die Besichtigung war übrigens ein Missverständnis zwischen uns beiden und endete damit, dass er sich die Hose runterließ. Das kann ich bis heute nicht vergessen, und jedes Mal, wenn wir uns <<Buenos días>> sagen, steht er mit der Hose um die Knöchel vor mir. Ansonsten ist er aber auch in anderen Bereichen der Offenste von allen, sodass man gute Gespräche mit ihm führen kann.

(Foto: ganz rechts in rot: Otavalo-Lehrerin, links vorne: JP, links daneben: Sportlehrer)

Ein paar Wochen ist es her, dass die Lehrer-WG statt zum Pommes-Essen nach dem Fußball zum Kaffeetrinken in unser Hostel kamen. Während wir mit den Kindern Mensch-Ärgere dich nicht spielten, was wir kurzerhand <<hombre, no te preocupes>> getauft hatten, fing alles an. Mit ein bisschen Abstand konnten wir gut beobachten, wie der Sportlehrer und die Otavalo-Lehrerin ihre Hände am Kamin verglichen und ein Selfie machten (in das Jade grinsend ihren Kopf hineinstreckte, was die beiden mehr oder weniger begeistert in Kauf nahmen). Als dann auch noch meine Gastmutter, die in der Küche viele Witze über Sex macht, aber vor allem sehr ernst über Jungfräulichkeit redet, uns <<algo muy muy malo>> mitteilen musste, sahen wir unseren Verdacht bestätigt. Das <<sehr sehr Schlimme>> war dann unspannenderweise nur die Hand des Sportlehrers <<am pompis>> der Otavalo-Lehrerin. Natürlich fuhr ich ab dann mit geschultem Blick für die Beiden nach Moreta. Sie wirkten sehr desinteressiert aneinander, verschwanden aber immer gleichzeitig in der Küche. Während ihrer Freistunden oder ab und zu mal während dem Unterricht. Dennoch schien sich auch eine emotionale Ebene aufzubauschen. Die Otavalo-Lehrerin lehnte beim Fußball den Kopf an den Sportlehrer, während sie <<si, mi amor, ya comí>> in ihr Handy tippte. Das Ganze war so offensichtlich, hatte man einmal begriffen, was vor sich ging, dass ich mich sehr wunderte, als es zum Geschrei am letzten Freitag kam. Das Gebrüll hielt mindestens 10 Minuten an. Während ich versuchte, mit meiner 2. Klasse weiterzuarbeiten, waren meine Ohren natürlich gespitzt. Mittlerweile war ich vermutlich die Einzige, die nicht das Klassenzimmer verlassen hatte. JP musste seine Sportstunde ganz dringend vors Lehrerzimmer verlegen und seiner liebsten Kollegin fiel plötzlich ein, dass sie doch noch die Pflanzen draußen gießen muss. Beste Voraussetzungen für neuen <<chisme>> auf Kichwa.  Die Frau vom Schulleiter beschwerte sich lautstark darüber, die beiden im Zimmer des Sportlehrers angetroffen zu haben. Eine Stimme schrie aufgebracht zurück und es dauerte nicht lange, bis sich auch der Sportlehrer einschaltete und die Otavalo-Lehrerin verteidigte. Im Folgenden führten sie zwei lange Gespräche, in denen die Frau vom Schulleiter, der gerade außer Haus war, das Fremdgehen scharf verurteilte, und mitteilte, dass sie niemals mehr irgendjemanden (weibliche irgendjemande) in dem Zimmer des Sportlehrers sehen wolle. Bis nächste Woche werden sie entscheiden, ob beide bleiben dürfen. Mir tat es ein wenig leid um die mangelnde Privatsphäre, aber vor allem hatte ich Mitleid mit der Otavalo-Lehrerin. Die Arme war ganz aufgelöst und erklärte mir unter Tränen, dass es eben um diese Entscheidung ging. Der Ehemann, den sie mit 17 geheiratet, und mit dem sie zwei Kinder hat, oder die neue Liebe? Wie das Ganze wohl endet; wer bleibt, wer geht? Wird die Otavalo-Lehrerin nur noch zu ihren Kindern nach Otavalo fahren oder wird die heimliche Affäre während der Schulzeit weitergehen?

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