Wie ecuadorianisch bist du schon? -Freiwillige im Interview

Veröffentlicht am 1. Juni 2025 um 02:40

Nur noch ein Monat Arbeit im Projekt liegt vor uns! Für mich war das Jahr vor allem eines: Geprägt von vielen Ups und Downs und ein großer Prozess. Da konnte die Zeit schon manchmal nicht schleichender vor sich hin kriechen oder gar stillstehen. Jetzt zum Schluss in den letzten Monaten bin ich aber so angekommen, dass ich die Zeit am liebsten angehalten hätte.  Wie ihr bestimmt mitbekommen habt, gibt es viele deutsche Freiwillige in Ecuador. Wir arbeiten in unterschiedlichen Projekten, verstreut in ganz Ecuador. Viele Erfahrungen teilen wir oder ähneln sich, dennoch könnte unser Jahr nicht verschiedener  gewesen sein.  Darum vielen lieben Dank an Eva, Lilli, Nick, Anna, Natalia und Jenny, die im Interview ein wenig auf das Jahr zurückblicken. 

Eva (18, Grundschule in Puyo)

 

Das Jahr in drei Worten:

Erlebnisse, Spaß, Weltoffenheit

Gab es ein verrücktes Erlebnis, das du mit uns teilen magst?

Ich finde es immer verrückt, wenn so etwas Spontanes passiert -Lilli und ich waren zum Beispiel auf so nem Schulfest, das war die größte Party und die waren alle richtig gut drauf!

Sonst etwas, was wirklich krass war, war dass wir am Rande mitbekommen haben, wie jemand abgestochen wurde.

 Wie ecuadorianisch bist du schon?

Ich würde mich an sich nicht als ecuadorianisch beschreiben, ich bin immer noch eine Deutsche in Ecuador. Dadurch, dass ich die Sprache spreche             ( ecuadorianisches Spanisch) wird man schon mehr als dazugehörig angesehen.

 Wo siehst du dich in 5 Jahren?

Ich bin gerade noch unsicher, was ich danach machen will. Wahrscheinlich werde ich in 5 Jahren gerne studiert haben und eine Perspektive haben, was ich danach arbeiten oder machen will.

 Worauf freust du dich, wenn du wieder in Deutschland bist?

Erstmal sehr auf das Essen! Noch nicht mal deutsches Essen, aber einfach Essen und Tofu! Natürlich auch auf die Menschen, Freunde wiederzusehen.

Wirst du auch mit weinendem Auge gehen?

Natürlich! Ich liebe es im Regenwald zu leben, wenn das Wetter schön ist und man an irgendeinen Ort zum Baden gehen kann. Das ist einfach so schön im Leben. Außerdem macht man hier am Wochenende immer coole Sachen. Es ist irgendwie immer viel los-das werde ich schon vermissen.

Wenn du deinem zukünftigen Freiwilligen drei Gegenstände mitgeben müsstest, welche wären das?

Ein Tagebuch -ich habe hier angefangen, regelmäßig Tagebuch zu schreiben und das ist sehr schön. Eine Regenjacke oder einen Regenschirm – das kann man aussuchen. Und einen Lieblingssnack deiner Wahl.

 Würdest du das Jahr noch einmal machen?

Ich würde mich wieder dafür entscheidend, es ist einfach bereichernd in vielen Hinsichten!

 

Lilli (23, Englischunterricht in einer Schule in Puyo)

Das Jahr in drei Worten:

laut, unvergesslich, Achterbahnfahrt

Gab es ein verrücktes Erlebnis, das du mit uns teilen magst?

Als wir in Cuyabeno waren, das erste Mal ein Faultier in freier Wildbahn zu sehen, das war schon verrückt. Und dann abends vom Kanu in die Lagune springen, wo auch verrückterweise richtig krasse Kaimane leben. Das ist schon verrückt, in einem Land zu leben, wo man das alles erleben kann.

Wie ecuadorianisch bist du schon?

Nicht so viel, ich bin schon noch eher Deutsch geblieben. Aber eine Sache, die ich vermehrt jetzt auch mache, wo ich sehr traurig sein werde, dass man das in Deutschland nicht mehr machen kann, ist sein Handy irgendwo zu haben, so laute Videos zu schauen…Das genieße ich hier, dass man einfach volle Lautstärke TikTok ballern kann!

Wo siehst du dich in 5 Jahren?

In 5 Jahren hätte ich schon gerne nen Job. Ich würde auch gerne in 5 Jahren nochmal hier gewesen sein, nicht unbedingt in Ecuador, aber in Südamerika. Dass ich immer noch Spanisch kann. Und dass ich mit meinem Golden Retriver und meinem Baby-Esel irgendwo wohne.

Worauf freust du dich, wenn du wieder in Deutschland bist?

Am meisten auf das Essen! Da habe ich schon eine lange Liste angefertigt: Döner, Grillen, Lasagne, Griechisch, Toffifee, … Und ich freue mich darauf, dass die Leute pünktlich kommen.

Wirst du auch mit weinendem Auge gehen?

Ja. Ich werde hier sehr die Leute vermissen, diese entspannte Art zu leben, nicht dieses krass auf Regeln achten. Dass man nicht hundertmal irgendwelche Datenschutzerklärungen unterschreiben muss, nur dass jemand ein Foto von einem machen kann. Oder dass man auf einer Taxirückbank mit so 30 Leuten mitfahren kann, das juckt niemanden -das werde ich schon sehr vermissen. Und einfach die Freundlichkeit der Menschen.

Wenn du deinem zukünftigen Freiwilligen drei Gegenstände mitgeben müsstest, welche wären das?

Ein Scrapbook, eine Tafel Milka-Dime, gegen Heimweh, und eine Chikra

Würdest du das Jahr noch einmal machen?

Ja!

Nick (19, Universität Riobamba)

 

Das Jahr in drei Worten:

verändernd, wichtig, Abschnitt

Gab es ein verrücktes Erlebnis, das du mit uns teilen magst?

Wir sind nach Tena gefahren, ich und Anna und Alexis, zu dritt.  Anna war erstaunlicherweise rechtzeitig am Busbahnhof, Alexis erstaunlicherweise nicht. Für Alexis hatten wir schon das Ticket gekauft -dann kam er aber nicht rechtzeitig. Er ist mit einem Taxi hinterhergefahren und außerhalb von Riobamba haben wir den Bus angehalten, sodass er noch zusteigen konnte. Er hat dem Taxifahrer insgesamt 6 Dollar gezahlt, (das Ticket hat 9 Dollar gekostet, also hat er tatsächlich Geld gespart) aber es war wirklich grandios, weil ich nie gedacht hätte, dass er diesen Bus noch bekommt. Der Taxifahrer ist gespeeded und es hat wirklich funktioniert. Das finde ich faszinierend, denn das ist so eine uniquely Ecuador-Sache.

Wie ecuadorianisch bist du schon?

Ich würde sagen, ich bin noch sehr in meinem Anfang der Ecuadorianisierung, also ich glaube ich spreche immer noch signifikant weniger Spanisch als die anderen. Vermutlich soviel, wie die anderen vor Monaten, und das war glaube ich ein riesiger Punkt. Auch habe ich sehr viel mit eher international geprägteren Ecuadorianern zu tun, und vielleicht mit einer ein bisschen anderen, ein bisschen westlicher geprägten Gesellschaftsschicht; und habe auch an vielen anderen, typisch deutschen Dingen festgehalten - ich esse zum Beispiel immer mit Messer und Gabel, obwohl meine Host-Family immer mit Löffel isst: Ich bin nicht sonderlich ecuadorianisiert.

Wo siehst du dich in 5 Jahren?

In irgendeiner Art von Studierungsprozess. Mal schauen, eigentlich ist ja gerade Psychologie geplant, aber vielleicht ändert sich das ja noch. Vielleicht sehe ich mich auch wieder in so nem Zwischenjahr oder so. Will ich eigentlich nach dem Bachelor wieder machen, das wäre dann nicht ganz in 5 Jahren. Aber irgendwie in diesem Weiterbildungsprozess auf jeden Fall.

Worauf freust du dich, wenn du wieder in Deutschland bist?

Essen! Essen! Deutsches Essen primär! Menschen natürlich auf gewisse Art und Weise, Familie, Freunde, sowas…Aber vor allem darauf, Möglichkeiten wahrzunehmen, die man hier nicht wahrnehmen kann. Sowohl im Sinne von Lebensstandart, aber auch vor allem im Sinne von- man kann in Deutschland grundsätzlich langfristiger leben und langfristiger aufbauen, als in Ecuador, wo alles auf so eine winzige Zeit limitiert ist, und ich glaube, das ist vor allem etwas, worauf ich mich sehr freue in Deutschland.

Wirst du auch mit weinendem Auge gehen?

Ich denke schon, aber ich denke, dass es eine Mischung aus Vorfreude und zurücksehnender Sentimentalität ist. Ich glaube nicht, dass ich es bereuen werde, zu gehen. Ich glaube, ich werde Dinge vermissen, aber ich werde nicht unglücklich darüber sein, dass ich gehe.

Wenn du deinem zukünftigen Freiwilligen drei Gegenstände mitgeben müsstest, welche wären das?

Ich finde es super wichtig, das habe ich zum Beispiel nicht mitgehabt, irgendein vernünftiges technisches Gerät mitzunehmen. Mit nur einem Handy kommt man in sehr vielen Freiwilligenprojekten nicht klar (…). Einen Umhängebeutel oder etwas Ähnliches, um sein Handy zu sichern- es könnte nämlich passieren, dass es einem aus der Hosentasche geklaut wird, zum Beispiel, gerade auf großen Veranstaltungen. Und irgendetwas Persönliches, was einen auf irgendeine Weise in den Momenten, in denen man es braucht, nach Deutschland zurückholt. Zum Beispiel ein paar Tafeln deutsche Schokolade oder irgendeine Backmischung (was weiß ich- vielleicht etwas, das nicht schon nach einem Mal leer ist, weil dann hat man eine kurze schlechte Zeit, und danach hat mans nie wieder und kann es nie wieder einsetzen).

Würdest du das Jahr noch einmal machen?

Ja, sofort!

Anna (20, Arbeit mit Menschen mit Behinderung)

Das Jahr in drei Worten:

Persönlichkeitsentwicklung, Ecuadorliebe, viajes

Gab es ein verrücktes Erlebnis, das du mit uns teilen magst?

Ein schönes verrücktes Erlebnis gabs in der Woche vor meinem Geburtstag: Da haben wir am Samstag ganz spontan von unserem Cousin Bescheid gesagt bekommen, dass wir zu der Familie von seiner noch-nicht-Verlobten kommen dürfen, und das war richtig cool. Das war ein richtig random Samstag-Nachmittag, an dem wir die ganze Zeit Ballspiele, Blinde Kuh, Fangen, Fußball gespielt haben. Wir haben getanzt und uns gegenseitig die Hymnen vorgesungen. Es war ein wunderschöner, witziger Nachmittag und so anders, als ein Familientreffen in Deutschland wäre. Man würde nie diese ganzen Spiele spielen, wo alle mitmachen. Wie so an einem Kindergeburtstag.

Was auch verrückt war, waren die Momente, wo wir kein Strom hatten und  wo Ruben und ich auch kein Wasser hatten. Das heißt, wir konnten abends, wo das Wasser abgestellt war (der Stromausfall war den ganzen Tag) nicht Spülen im Bad, uns nicht die Hände waschen, wir hatten kein Licht- September, Oktober, November, das waren verrückte Zeiten. Wie oft wir candle-light-dinner gemacht haben- also irgendwie war es auch ein bisschen cool.

Wie ecuadorianisch bist du schon?

Ich bin dabei, die Schimpfwörter zu lernen, aber ich benutze sie nur selten. Ich würde sagen, schon ein bisschen. Was das Essen angeht, zum Beispiel. Da habe ich kein Problem damit, ich liebe es. Trotzdem könnten sich viele andere Ecuadorianer zum Beispiel meine Hobbies-Joggen und Tanzen- nicht leisten. Auch das Reisen.

Wo siehst du dich in 5 Jahren?

Hoffentlich als fertig ausgebildete Physiotherapeutin, vielleicht auch ein bisschen am Reisen. Ich möchte meinen Beruf ausüben, den ich liebe, und trotzdem mal nen Monat Urlaub nehmen und da dann eine richtig crazy Reise machen. Das muss nicht mit dem Van sein, wäre aber schon cool.

Worauf freust du dich, wenn du wieder in Deutschland bist?

Auf meine family und Freunde natürlich, und auf mein Studium. Und auf jeden Fall auf das Essen! Salami, echte, gute Schokolade, Käse, eine Brezel…

Wirst du auch mit weinendem Auge gehen?

Ich gehe auf jeden Fall mit zwei dicken rot geweinten Augen nach Hause. Ja, ich werde die Familie hier vermissen, die sind meine zweite Familie geworden. Die sind so lieb, auch wenn sie so oft anstrengend sind.

Wenn du deinem zukünftigen Freiwilligen drei Gegenstände mitgeben müsstest, welche wären das?

Eine Lieblingssüßigkeit deiner Wahl, am besten eine Nussschokolade das habe ich sehr vermisst. Dann für den Chimborazo: Wollsocken. Und Fotos, besser noch eine Lichterkette von Zuhause.

Würdest du das Jahr noch einmal machen?

Auf jeden Fall, das war die beste Entscheidung meines Lebens! Auch wenn ich eigentlich an der Küste gewesen wäre- Riobamba hätte nicht perfekter sein können. Ich liebe die Fundación und die profes; ich liebe die Hobbys, die ich dort haben kann; ich liebe unsere Riesenfamilie und all die Aktivitäten, die man mit ihnen machen kann. Es hätte nicht schöner und perfekter sein können. Und dann ist es so cool, dass man viele andere Freiwillige hat, mit denen man Reisen kann.

Natalia (18, Selva y Vida)

Das Jahr in drei Worten:

herausfordernd, interessant, bildend

Gab es ein verrücktes Erlebnis, das du mit uns teilen magst?

Einmal bin ich mit Camille nach Quito gefahren, und wir wurden zweimal mitten in der Nacht irgendwo rausgeworfen aus dem Bus, weil wir ausversehen zu weit gefahren sind. Dann mussten wir nachts für 15 Dollar ein Taxi zum Terminal nehmen.

Wie ecuadorianisch bist du schon?

Nicht so wirklich. Ich mag den Lifestyle, und ein paar Dinge habe ich mir auch abgeguckt, wie man mit den Leuten hier umgeht, aber zum Beispiel bin ich immer noch nicht so entspannt und unorganisiert. Andere Mentalität trotzdem.

Wo siehst du dich in 5 Jahren?

Am Studieren, in Wien hoffentlich.

Worauf freust du dich, wenn du wieder in Deutschland bist?

Das Essen! Und den Komfort, einfach Leute zu haben, die man kennt, die einem wichtig sind, die einen wertschätzen. Einfach so Zuhause sein mit Leuten, die man kennt.

Wirst du auch mit weinendem Auge gehen?

Ja, auf jeden Fall! Ich habe mich jetzt so gut eingelebt im Dschungel. In der Familie jetzt nicht, aber einfach das Unterrichten hat mir schon viel gegeben. Die ganzen Kinder zu sehen, ihre Entwicklung. Ich finde es traurig, das Ganze jetzt so beenden zu müssen, bevor man überhaupt richtig etwas beigebracht hat. Jetzt weiß man halt wie es läuft, man kennt die ganzen Leute und muss gehen und wird ersetzt von irgendjemandem, das finde ich schon traurig.

Wenn du deinem zukünftigen Freiwilligen drei Gegenstände mitgeben müsstest, welche wären das?

Sachen, die man mit er Familie verbindet, Fotos zum Beispiel. Eine Stirnlampe. Und Mückenspray!

Würdest du das Jahr noch einmal machen?

Ja. Ich habe viel daraus gelernt. Aber es hat mich nicht glücklich gemacht. Ich würde es trotzdem nochmal machen. Es ist etwas anderes, man lernt super viel finde ich, und man verändert sich ja auch.

Jenny (20, Grundschule in Guayama)

Das Jahr in drei Worten:

Anden, Kinder, Busfahren

Gab es ein verrücktes Erlebnis, das du mit uns teilen magst?

Da fallen mir zwei Zufallserlebnisse ein: Einmal, wie wir durch Zufall unsere neue Gastfamilie gefunden haben, weil wir am Anfang eine Nacht zufällig hier übernachtet haben. Und als ich kurz nachdem ich mir darüber klar geworden bin, dass ich Geowissenschaften studieren will hier im Dorf 6 Vulkanologen getroffen habe und ich dadurch nach Quito eingeladen wurde, in deren geologisches Institut. Das hätte ich nie gedacht, dass ich so eine Berufsperspektive bekomme hier.

Wie ecuadorianisch bist du schon?

Ich finde es ein bisschen schwierig zu definieren, was jetzt ecuadorianisch ist, denn Ecuador hat so viele Seiten. Aber ich würde sagen, ich bin so ecuadorianisch, dass ich mich auf 5000 Meter wohlfühle, und im Bus, wenn man von lauter, indigener Musik zugedröhnt wird. Und: Dass ich mir manchmal sogar freiwillig Reis nehme.

Wo siehst du dich in 5 Jahren?

In 5 Jahren habe ich hoffentlich meinen Bachelor geschafft und dann will ich am liebsten wieder in Südamerika sein und durch Südamerika backpacken, wenn das so klappt zwischen Bachelor und Master. Mal sehen was sich so ergibt, aber am liebsten wäre ich dann vielleicht wieder hier.

Worauf freust du dich, wenn du wieder in Deutschland bist?

Auf Essen! Vor allem auf Brot. Darauf, Leute wiederzutreffen. Aufs Ausziehen und aufs Studieren.

Wirst du auch mit weinendem Auge gehen?

Ja, wahrscheinlich eher mit einem weinenden als mit einem lachenden Auge im Moment. Vor ein paar Monaten habe ich mich mehr auf Deutschland gefreut als jetzt. Jetzt würde ich gerne noch ein bisschen hierbleiben.

Wenn du deinem zukünftigen Freiwilligen drei Gegenstände mitgeben müsstest, welche wären das?

Für Guayama einen Vorrat an Stöcken, damit er sich gegen die aggressiven Hunde wehren kann. Eine Stirnlampe für die mehr als 12 -Stunden- Stromausfall- pro- Tag- Zeit. Und genügend Durchfallmedikamente für den Anfang.

Würdest du das Jahr noch einmal machen?

JA

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